Der Wert von Vollfettkolostrum Teil II – die besondere "Verpackungsform" des Kolostralfetts
In Teil 1 des Hot Topics zum Thema wurde die wesentliche Rolle der kolostralen Fettanteile und ihrer einzigartigen Lipidzusammensetzung behandelt. In dieser Ausgabe geht es um die Struktur der Fett-Globuli, welche ebenfalls einen Effekt auf die physiologische Wirkung des Kolostrums hat.
Milchfett-Globuli-Membran
Kolostrum und Milchfett bilden kleine Tropfen mit einem variablen Durchmesser im Bereich von 1-8 µm. Die Kolostrum-Fetttröpfchen sind im Allgemeinen größer als die Milchfett-Globuli. Diese Milchfett-Globuli (MFG, Abbildung 1) sind von der sogenannten Milchfett-Globuli-Membran (MFGM, Abbildung 2) bedeckt. Die MFGM besteht aus drei Schichten, von denen die äußerste (1) aus einer Phospholipid-Doppelschicht besteht, die mit angehängten Transmembranproteinen und Cholesterin durchsetzt ist. In der Mitte (2) liegt eine dichte zweite Schicht, die hauptsächlich aus Proteinen besteht und (3) angrenzend an den Triglyceridkern der Globuli befindet sich eine Monoschicht aus polaren Lipiden. Die Membran ist 10 bis 50 nm dick. Ihre einzigartige Zusammensetzung wirkt wie ein natürlicher Emulsionsstabilisator, der Ausflockung und Koaleszenz verhindert sowie die Fett-Globuli vor enzymatischem Abbau und Oxidation schützt.
Biologische Aktivität des MFG & MFGM
Neben seiner Schutz- und Emulgierfunktion trägt das MFGM durch die Proteinanteile und die funktionellen Lipide, welche in der Membran und im Kern des MFG enthalten sind, zu den biologischen Funktionen von Kolostralmilch und Milchfett bei.
Die Anzahl der verschiedenen Proteine in den Fett-Globuli schwankt zwischen 20 und 411, da die Proteinzusammensetzung der Globuli von vielen Faktoren abhängt, unter anderem Alter, Rasse, Parität und Ernährung des Tieres sowie die Größe der Fett-Globuli. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass die mit der Milchfettmembran assoziierten Proteinfunktionen u. a. mit der Zellsignalisierung und dem Stoffwechsel, der Homöostase des Darmepithels und der Immunantwort zusammenhängen. Zu den wichtigsten funktionellen Proteinen gehören Lysozyme, Lactoferrin, Cathelicidine und Immunglobuline. Da eine Veränderung der MFG-Größe mit einem Unterschied bei den im MFG enthaltenen Proteinen zusammenhängt, wird angenommen, dass die Veränderung der Proteinzusammensetzung die sich ändernden Bedürfnisse der laktierenden Kuh und ihrer Nachkommen widerspiegelt. Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass mit fortschreitender Laktation die Proteine, die mit der Immunfunktion und der antimikrobiellen Funktion zusammenhängen, abnehmen.
Der größte Teil (etwa 98 %, je nach Größe der Globuli) der MFG-Lipidfraktion besteht aus dem Triacylglycerin-Kern. Bei den polaren Lipiden, welche im MFGM enthalten sind handelt es sich z.B. um Phospholipide wie Sphingomyelin, Phosphatidylcholin, Phosphatidylethanolamin und Phosphatidylinositol sowie Glykosphingolipide, darunter Cerebroside und Ganglioside. Viele der biologischen Funktionen von Milch und Kolostralfett, etwa die Beteiligung an der kognitiven Entwicklung und der Darmreifung, werden den Membranphospholipiden zugeschrieben. Wie im ersten Hot Topic zum Thema beschrieben, ändert sich das Profil der einzelnen Fettsäuren in der Fettfraktion mit fortschreitender Laktation. Dies gilt zum Teil auch für die in der MFGM enthaltenen Lipide. Diese Veränderung steht im Zusammenhang mit den sich ändernden Bedürfnissen der Jungtiere.
Kolostralfett ist ein wertvoller Bestandteil – nicht wegwerfen, sondern mit Vorsicht behandeln!
Abb. 1: Verteilung der Phospholipide und ausgewählter bioaktiver Proteine, die die MFGM bilden:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Milchlipide wesentlich zur strukturellen und immunologischen Reifung des Darmtrakts beitragen. Die Proliferation von Epithelzellen, die Expression von Tight-Junction-Proteinen und die Etablierung der Darmmikrobiota werden bei neugeborenen Tieren durch den Verzehr von MFGM beschleunigt. Diese Vorteile gehen verloren, wenn entfettete Kolostrumersatzmittel verwendet werden. Aufgrund der Verknüpfung von Proteinen und Fettanteilen kommt es bei den meisten Entfettungsverfahren teilweise sogar zu einem Verlust von sehr wertvollen, funktionellen Proteinen.
Anfälligkeit der MFG-Struktur und mögliche Auswirkungen der Verarbeitungstechniken
Die biologischen Auswirkungen der MFGM hängen zum Teil mit ihrer strukturellen Integrität zusammen. Wie bereits erwähnt, stabilisiert die Zusammensetzung der MFGM die Globuli und verhindert die Ausflockung. Daher können Verarbeitungstechniken, die die Struktur der MFGM stören können, die physiologischen Wirkungen der Fettfraktion verändern. So führt beispielsweise das Erhitzen von Kolostrum auf über 60 °C zur Phasentrennung der Lipide und zu einer anderen Verteilung der äußeren Schicht der MFGM. Obwohl die Auswirkungen auf Verdauung und Funktionalität noch nicht vollständig geklärt sind, können die meisten Trocknungsverfahren, die hohe Temperaturen verwenden, die MFGM der kolostralen Fettfraktion verändern. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Sprühtrocknungsverfahren den Abbau der MFGM-Phospholipide verursacht.
Im Gegensatz dazu stellt die Vakuumtrocknung die schonendste Methode zur Trocknung von Rohkolostrum dar. Hierbei wird die Temperatur während des Prozesses unter 7 °C gehalten und keine mechanische Belastung ausgeübt.
In diesem HOT TOPIC erläutert Phytobiotics- Experte Dr. Oguz Calisici Details zu Struktur der Fett-Globuli, welche ebenfalls einen Effekt auf die physiologische Wirkung des Kolostrums hat.
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Dr. Oguz Calisici studied veterinary medicine in Germany and Turkey. After completing his doctoral Thesis at the University of Hannover, he continued working at the university in the areas of biotechnology and artificial insemination. After working as a practical vet in Germany, Oguz was the managing director of a large dairy company in Turkey. At Phytobiotics, Oguz has taken over the product management of Immune Milk.
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